Hundeerzieherin/Verhaltensberaterin IHK
Hunde brauchen Hundekontakte (05.11.2019)

Hunde brauchen Hundekontakte (05.11.2019)

„Die machen das schon unter sich aus“ – das hört man häufiger, wenn Hunde sich begegnen und es scheinbar Ungereimtheiten gibt. Oder „das müssen die lernen“, auch eine häufig verwendete Floskel. Beide Aussagen sind ja nicht falsch. Hunde sollten lernen angemessen mit anderen Hunde zu kommunizieren – Richtig. Und ja, Hunde machen das auch unter sich aus. Die Frage ist nur, was dabei raus kommt. Vermutlich nicht immer das, was wir als Mensch uns so vorstellen.

Wir Menschen tun immer so, als ob Hunde von klein auf jegliche Hundesprache beherrschen und natürlich auch immer sozial angepasst anwenden, wenn sie nur die Möglichkeit haben, es anzuwenden und die Menschen sie lassen würden. Sozial „schwierige“ Hunde werden zumeist als Haltungsfehler dem Besitzer angekreidet. Aber mal ehrlich. Das Problem ist nicht immer das andere Ende der Leine. Hunde sind soziale eigenständige Lebewesen, mit eigenem Charakter und eigenen Idee. Ähnlich wie bei uns Menschen, gibt es auch Hunde, die nicht freundliche zu anderen Hunden sind, Hunde die mobben, Hunde die unsicher sind, Hunde die sich nicht durchsetzen können oder auch Hunde, die glauben auf einem Tarzan-Heftchen geschlafen zu haben und alles kontrollieren wollen (Die Liste lässt sich noch erweitern). Diese Tendenzen bringen Hunde mit, von Geburt an. Die Frage ist, was wir daraus machen.

Doch schauen wir mal kurz, wie unsere Hunde in der Regel aufwachsen: Als Welpe in die Welpenspielstunde – hier treffen viele kleine lernbegierige Individuen aufeinander und dürfen sich meist völlig frei entfalten. Im wahrsten Sinne des Wortes. Egal welcher Charakter, egal welcher Typ, alle zusammen und „schau doch wie viel Spaß sie haben“. Das der eine kleine Schüchterne am liebsten das Gelände verlassen möchte, wenn die anderen auf ihn zugestürmt kommen ist ja kein Problem. Der lernt ja schon, dass ihm nichts passiert. Doch tut er das wirklich? Selten wird hier durch den Mensch eingegriffen oder reguliert. Dann geht es weiter zu den Junghunden – man kennt sich ja schon und darf neben den Übungen schön weiter toben, ist ja super. Meist startet es mit kleineren Auseinandersetzungen und irgendwann knallt es dann mal richtig zwischen den pubertierenden Vierbeinern. Dann werden Hunde als unsozial eingestuft und dürfen nicht mehr am Freilauf teilnehmen, oder jetzt reagiert auch mal der Mensch – doch oft nicht angemessen.

Manche Hunde wachsen auch ohne Hundekontakte auf und werden quasi von allem fern gehalten – meist auch nicht viel besser.

Der Hund ist wie der Mensch ein Säugetier, welches in einem Sozialverband aufwächst und lebt. Soziale Kommunikation und Interaktion ist enorm wichtig, um in einem Sozialverband leben zu können, ohne dass es ständig und immer Auseinandersetzungen gibt. Beim Wolf (ja, der Hund ist kein Wolf) aber auch bei wilden Hunderudel wachsen die Welpen in einen bereits bestehenden Sozialverband rein. Sie dürfen sich mit ihren Geschwistern ausprobieren und bekommen durch die Elterntiere oder anderen erwachsenen Tiere Feedback, wie man sich adäquat verhält und kommuniziert. Unsere Hunde wachsen bei uns Mensch auf. Auch sie müssen die Verhaltensweise erlernen und einüben. Und das was man übt, das festigt sich – doch nicht nur das Positive.

Um es zu verdeutlichen schauen wir mal in die Menschenwelt. Auch ein kleiner Mensch muss lernen, wie man mit anderen Menschen umgeht, was ok ist und was man eben nicht machen sollte, um gut in einem Sozialverband mit anderen leben zu können. Das übernehmen von klein auf zunächst erstmal die Eltern und ggf. Geschwister. Auch so beim Hund, der bis zur 9. Woche seine Eltern und Geschwister um sich hat. Beim Menschen steht dann ähnlich wie beim Hund die Welpenspielgruppe – äh, der Kindergarten an. Und da beginnen in der Regel die Unterschiede zwischen Mensch und Hund. Im Kindergarten käme nämlich keiner auf die Idee, die Kinder sich selbst zu überlassen und einfach machen zu lassen. Schippe aufn Kopp? Kein Thema, machen die schon unter sich aus. Ein Kind, welches immer weinend an der Tür steht oder sich unterm Tisch versteckt – das lernt schon, dass ihm nichts passiert. Und bloß keine Beachtung schenken, sonst bestärkt man es ja in seiner Angst. Drei Kinder, die ein anderes unter sich begraben? Ach guck doch mal wie schön die Kleinen spielen. Im Kindergarten undenkbar, in Hundekontakte leider viel zu oft der Alltag. Ich weiß nicht wie man auf die Idee kommen kann, dass gleichaltrige Babys von- und miteinander ohne Anleitung sozial adäquates Verhalten lernen können. Das geht beim Menschen schief und genauso beim Hund auch.

Schauen wir weiter, wenn die Kleinen größer werden. Wie läuft es denn auf dem Schulhof? Sind da alle immer nett und freundlich miteinander und können alles unter sich klären – also so, dass es für alle Beteiligten gut ist? Nein, können sie nicht. Warum sollten es Hunde also können? Natürlich klären die Dinge unter sich. Es gibt Stärkere und es gibt Schwächere. Es gibt Mobber und es gibt deren Opfer. Das ist relativ normal, wenn man Heranwachsende (Hunde oder Menschen) sich selbst überlässt. Das beginnt in der Grundschule und zieht sich (wenn nicht das passende Feedback kommt) bis ins Erwachsenenleben durch.

Hunde brauchen zum Sozialen Lernen ähnlich wie wir Menschen Freiräume, um sich ausprobieren zu dürfen. Sie brauchen aber auch Jemanden, der ihnen ein Feedback gibt, was nicht ok ist. Gleichaltrige heranwachsende Hunde können das selten selbst gut für alle Beteiligten lösen. Und auch viele erwachsene Hunde können diesen erzieherischen Part nicht übernehmen – wie auch, wenn sie es selbst nicht richtig gelernt haben? (Geht beim Menschen auch schief). Also ist der Mensch als „Erziehungsperson“ gefragt.

Hunde brauchen Hundekontakte um Kommunikation und soziales Miteinander lernen zu können. Sie müssen lernen, sich auszudrücken und auszuprobieren. Das stärkt und gibt Selbstbewusstsein und Sicherheit in den Kontakten mit anderen Hunden. Aber Hunde brauchen auch eine Anleitung, ein Feedback, was ok ist und was es nicht ist (Und zwar nicht aus Menschensicht, sondern hundgerecht). Hunde brauchen Sicherheit und einen Rahmen. Versteht mich nicht falsch, es geht nicht darum, seinen Hund ständig zu regulieren – aber an den richtigen Stellen ist es unabdingbar. Dafür benötigt der Mensch aber ein wachsames Auge und gute Gespür für die Hunde und die Situation.

Hunde brauchen Hundekontakte – aber mit den richtigen Hunden und richtig angeleitet. Qualität statt Quantität. Viele Hunde sind in Hundegruppen überfordert. Zweier- oder Dreierkontakte lassen oft viel mehr Spielraum, um sich wirklich auszuprobieren und lernen zu können. Natürlich ist auch nicht jede Kombination passend. Auch da sollte der Mensch schauen, welche anderen Hunde dem eigenen wirklich gut tun. Als Mensch hat man ja auch nur mit ausgewählten Menschen freiwillig mehr Kontakt – das nennt sich Freundschaft. Wir Menschen haben auch nicht mit jedem Menschen Kontakt, dem wir auf der Straße begegnen – warum sollen das also unsere Hunde haben? Häufig mehr Stress als Nutzen.

Miteinander lernt man nur, wenn man miteinander lernt und lebt. Habt ein Auge auf eure Hunde, schaut was ihnen wirklich gut tut und was sie mehr stresst. Wildes Gerenne und extremes „Spielen“ sind häufig ein Zeichen für Überforderung, Anspannung und Stress. Ruhige und entspannte Kontakte bringen da deutlich mehr für alle Beteiligten.

Eure Hunde werden es euch danken.

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